Donnerstag, 28. April 2016

Frühlingsgefühle

Vor ein paar Jahren geschrieben und gerade wieder brandaktuell!
Außer das mit den Kindergartenkindern...

Jeden Winter passiert mit mir das gleiche.

Erst freue ich mich auf die kalte Jahreszeit. Ich sehne mich nach dem ersten Schnee und hüpfe mit meinen Kindern völlig albern über die Sofas, wenn die erste Flocke fällt. Ich genieße die Vanillekipferl meiner Freundinnen (weil meine eigenen Backergebnisse über die obligatorischen Butterplätzchen nicht herauskommen). Ich liebe die vielen Lichter und Kerzen, die Adventszeit (vor allem seit wir Kinder haben) und Weihnachten – ach ja Weihnachten!!! Dann kommt Silvester und ich plane einen gemütlichen Abend mit Freunden und dem Kinderfeuerwerk (nur mit ein paar Wunderkerzen o.ä, also ohne Krach und um 21:00 Uhr!!!) und dann dem Erwachsenenfeuerwerk bei dem wir draußen frieren und uns wundern, wo die Nachbarschaft das Geld hernimmt, um hunderte von Raketen in die Luft zu feuern. Schööön!

Ja und dann… dann wird mir der Winter lang. Sehr lang. In den letzten Jahren hatten wir auch kaum Schnee und die düstere, graue Stimmung legte sich nicht nur auf mein Gemüt, sondern auch auf das meiner Kinder. Ein feuchter Januar, ein zugiger Februar mit nassen Spielplatzbänken, kahlen Bäumen und dunklen Tagen… Als Mutter von zwei sehr lebhaften Jungs im Kindergartenalter ist diese Zeit eine pädagogische Herausforderung.

Und dann passiert es: Die ersten Prospekte landen in unserem Briefkasten…von Baumärkten und Supermarktketten und Gärtnereien… und es ist um mich geschehen!
Ich will Frühling! Und zwar jetzt! Es muss schnell gehen und bunt werden, ach und habe ich schon erwähnt, dass es JETZT sein soll? Also blättere ich in den Prospekten und lasse beim Lebensmitteleinkauf auch gleich ein paar Samentütchen in den Einkaufswagen wandern. Zucchini und Zierkürbisse, Tomaten und Sonnenblumen, Kapuzinerkresse und Wicken. Alles völlig anspruchslos und idiotensicher – also genau meinen Ansprüchen genügend.
Schon auf dem Heimweg vom Einkaufen sehe ich die Blütenpracht vor mir, schmecke ich die saftigen Tomaten und ich schnitze in Gedanken kleine Muster in die winzigen Kürbisse, um sie im Herbst auf die Terrasse zu stellen. Schnell noch einen Abstecher im Gartenzentrum gemacht, um ausreichend Erde zum Vorziehen der Pflänzchen zu haben. (An der Kasse des Gartenzentrums musste ich unbedingt noch die Kräutersamen und diese neue Sonnenblumensorte mitnehmen.)

Und dann wird es Frühling bei uns! Ich gebe mich nicht mit den Angaben auf den Tütchen zum Thema „Aussaat“ ab. Das sind nur so ungefähre Zeitfenster, für die, die so was noch nie gemacht haben. Und schon haben wir ein kleines Gewächshaus und einen Balkonblumenkasten auf den Fensterbänken unserer (sehr kleinen!) Essecke. Die Jungs sind begeistert und helfen kräftig beim Gießen. Und schon nach wenigen Tagen werden wir mit den ersten zarten Blättchen belohnt. Irgendetwas sprießt da! Es ist Frühling! Im Februar!
Leider habe ich im Eifer des Gefechts die Beschriftung der Töpfchen und Kästchen vergessen und so freuen wir uns einfach mal über „Grün“. Die Sonnenblumen kann man dann recht schnell erkennen. Sie wachsen hervorragend! Traumhaft! Bald brauchen sie mehr Platz… Im normalen Gärtnerleben würde man sie jetzt raus setzen, damit sie genug Platz für ihre Wurzeln haben und sich der wärmenden Sonne entgegenstrecken können. Das ist Anfang März etwas schwierig. Der Boden ist nämlich noch knackehart gefroren und von der wärmenden Sonne haben wir schon lange nichts mehr gesehen.

Ein bis zwei Wochen später kann ich mich schon über die Krokusse in unserem Beet vor der Haustür freuen. Aber ein wenig trauere ich den Sonnenblumen hinterher, die allesamt erst abgeknickt und dann mit Hilfe meiner Kinder ersoffen sind. Dann also keine Sonnenblumen in diesem Jahr.
Die Kapuzinerkresse macht sich ganz gut und die Wicken lassen sich prima an den Schaschlikspießen heraufziehen. Besagte Spieße üben allerdings eine ungeheure Anziehungskraft auf unsere Söhne aus… Ständig sauge ich Erdkrumen aus der Essecke, die Zahl der Tomatenpflänzchen nimmt stetig ab.
Anfang April halte ich es nicht mehr aus. Es stehen 2 Kindergeburtstage an. Da kann ich diese blöden Töpfchen auf der Fensterbank mitsamt den magischen Spießchen nun wahrlich nicht mehr hier drinnen gebrauchen. Die Dinger müssen raus! Sofort! Ich will endlich auch draußen Frühling haben. Der Indoor-Frühling ist vorbei! Herr, mach schneller!!!

Mein Mann macht die vorsichtige Bemerkung, dass ich vielleicht etwas zu früh mit dem Vorziehen begonnen habe, da die Nächte noch sehr frostig und die Tage sehr stürmisch sind…
Aber ich bin eben nicht so gut im Anleitungen lesen. Ich bin viel zu ungeduldig für das Kleingedruckte. Wenn wir ein neues Gerät anschaffen, packe ich alles aus und schließe sofort alles an. Dann stecke ich den Stecker in die Steckdose und wundere mich, weshalb das blöde Ding schon kaputt ist. Mein Mann ist da deutlich strukturierter. Bevor er das Gerät auspackt, studiert er die Bedienungsanleitung. Er holt dann Stück für Stück aus dem Karton, legt jedes Kabel, jedes Schräubchen vor sich hin und beginnt systematisch nach Anleitung mit dem Zusammenbau. Seine Geräte sind selten kaputt…
Es ist völlig egal ob ich ein Ikea-Regal oder eine Stereoanlage zusammensetzen muss, ich sehe das jeweilige Teil bereits fertig vor mir und kann mich unmöglich damit aufhalten, zunächst ein paar Seiten Papier zu studieren. Ich will loslegen! Jetzt! Schnell! Sofort!

Wenn es dann nicht sofort klappt (und auch nicht einmal beim zweiten Anlauf) werde ich nicht nur nervös. Ich werde geradezu stinkesauer! Ich schimpfe auf die schlechte Verarbeitung, die überkomplizierte Konstruktion und die unmögliche Anleitung (die ungeöffnet neben mir liegt). Es sind die Kinder schuld, die mich mit ihrem Lärm halb wahnsinnig machen und mein Mann, der nie da ist, wenn ich ihn brauche…

Mein geistliches Leben spiegelt das auch wieder: Ich erwarte von Gott Veränderungen (z.B. an mir selber) und kann es kaum abwarten, dass er endlich Hand anlegt. Ich bin frustriert und enttäuscht, wenn es länger dauert, als ich ihm dafür Zeit eingeräumt habe. Und natürlich bin ich nicht auf mich selbst sauer, sondern auf Gott oder den Rest der Welt. Und wenn ich der Verzweiflung nahe bin und meinem Herrn (und oft auch meinem Mann) mein Leid klage, dann machen mich beide sehr sanft aber deutlich darauf aufmerksam, dass es Dinge gibt, die wachsen müssen. Dass ich mir selbst und anderen mehr Zeit zugestehen muss. Und dass es wichtig ist, sich an bestimmte Schrittfolgen zu halten. Doch es fällt mir so schwer, die Dinge in Gottes Hand abzugeben, seinem Zeitplan für mich und meine Welt zu vertrauen und meine Begrenzungen zu akzeptieren. Mir geht der lange Atem aus. Ich weiß so vieles besser… Jetzt! Schnell! Sofort!

Und Gott macht sich die Mühe, mir ab und zu Einblick in seine Vorstellung von Zeit zu geben. Wenn einer meiner Söhne dann doch noch mit dem Sprechen anfängt, wo wir uns doch langsam zu sorgen begannen und die Kinderärztin schon die Stirn runzelte. Wenn längst zerstört geglaubte Beziehungen wieder heil werden. Und ich staune darüber, wie ich annehmen konnte, ich hätte den Überblick über mein Leben, ohne mir auch nur die Mühe zu machen, in die Bedienungsanleitung zu sehen.

Doch eins dürft ihr dabei nicht vergessen, liebe Freunde: Was für uns ein Tag ist, das ist für Gott wie tausend Jahre; und was für uns tausend Jahre sind, das ist für ihn wie ein Tag. 2.Petr 3,8

Gott steht über der Zeit. Er ist Anfang und Ende gleichzeitig und mein kleines Hirn wird das nie ganz begreifen. Es ist gut zu wissen, dass eine Ewigkeit vor uns liegt. Ich kann es kaum abwarten...Ich will die erste sein, die auf dem Schoß unseres himmlischen Vaters Platz nimmt, um ihn mit allen meinen Fragen zu löchern. Jetzt! Schnell! Sofort!!!

Ich pflanze also fröhlich summend, wenngleich mit von der Kälte klammen Fingern meine Tomaten und Wicken und all das andere Grünzeug. Meine Nachbarin lehnt sich über den Gartenzaun, schüttelt den Kopf und faselt etwas von den Eisheiligen. Ich lächle nur…
Während ich die Erde von meinen Fingern wasche denke ich über die Eisheiligen nach. Du meine Güte, ich hab keine Ahnung, was genau es mit denen auf sich hat. Nur dass an einem bestimmten Datum, welches ich mir selbstverständlich nie merken kann, die Eisheiligen „sind“ und danach darf man dann endlich seine Geranien herausholen. Ich habs nicht so mit Heiligen und Bauernregeln. Damit bin ich genauso gut wie mit Bedienungsanleitungen. Und mit Geranien habe ich es auch nicht.

Die ersten Nächte raffen sämtliche Wicken und Tomaten, sowie die meiste Kapuzinerkresse dahin. Dann wird es ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit und die restlichen Pflänzchen wachsen und gedeihen. Die verbliebene Kapuzinerkresse wird von den Schnecken erledigt. Aber Zucchini und Zierkürbis sind erstaunlich robust. Sie blühen und wachsen und schon bald zeigen sich zu meinem großen Entzücken dicke grüne Würste (Zucchinis) und verformte grüne Bälle (Kürbisse). Oh, Herr wie wunderbar ist Deine Erde! 

Im Herbst essen wir erschreckend oft von den grünen Würsten. Das ist nicht sonderlich praktisch, denn die einzige in unserer Familie, die gerne Zucchini isst, bin ich. Meine Männer maulen und verweigern schon bald das gesunde und wohlgewachsene Gemüse. Auch im Freundeskreis sind die meisten meine Zucchini satt… Wenn ich mit den verräterischen Plastiktüten in der Gemeinde auftauche, nehmen alle Reißaus. In Gedanken streiche ich Zucchinisamen von meiner Einkaufsliste. Nie mehr! Da können sie noch so unverwüstlich frostfest sein und noch so sehr wuchern.

Dafür sind meine Kürbisse sehr beliebt, wenn auch nicht so zahlreich. Ach, und eine Freundin hatte mir im Mai noch von ihren Sonnenblumensprösslingen ein paar abgegeben. So viele, wie sie ursprünglich mit ihren Töchter vorgezogen hatte, konnte sie nun wirklich nicht pflanzen. Ich habe den Mund gehalten und sie dankbar angenommen… und bekomme von vorbeiziehenden Passanten oft Komplimente dafür.

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