Dienstag, 16. Juni 2015

MOVO (1) "Wieso riecht ihr gerne Autos?"


In meiner Klasse gab es diesen Autonarren. Einmal traf ich ihn in der Stadt und wie wir da so quatschen, röhrt ein Sportwagen an uns vorbei. Ich sehe die Karre von vorne, erkenne das Logo und sag zu meinem Gegenüber: "Guck mal, ein Lamborghini!" Von da an war ich in seinen Augen mehr als nur ein normales Mädchen. Ich war eine Autokennerin! In seiner Welt die größte Auszeichnung  für ein Mädchen. 

Ich finde diese Klischees ja ziemlich bescheuert. Jungs sind so und Mädchen so. So gesehen wäre ich meine gesamte Kindheit mehr Junge als Mädchen gewesen. Puppen und Lackschuhe? Nicht mit Klein-Claudia! Aber diese Autosache? Ich interessierte mich tatsächlich nicht die Bohne dafür, fühlte  mich natürlich dennoch geschmeichelt. Wenngleich ich wusste: ich hatte keine Ahnung von Autos. Echt jetzt.

Das ist so geblieben. Ich erkenne eine Automarke nur, wenn ich das Auto von vorne sehe. Da steht es nämlich drauf! Ein Auto muss für mich vier Räder und ein Dach haben. Es sollte funktionieren, keine schwarzen Wolken ausstoßen und am besten einen vollen Tank haben. Mehr Ansprüche habe ich an Autos nicht. 

Allerdings wohne ich in einem Testosteron-Haushalt. Allein unter Männern. Meine Söhne sind 10 und 12 Jahre alt und mein Mann ein bisschen älter. Wir hatten Puppen und Plüschtiere... aber gespielt haben sie nur mit den Matchboxautos. Alle drei! 

Ich habe keine Ahnung, warum Autos auf Euch Männer (und Jungs) so eine Anziehungskraft ausüben. Ist es die Technik? (Aber da könntet Ihr Euch ja auch auf Mikrowellen und Fernseher konzentrieren.) Vielleicht die Geschwindigkeit? (Dann müssten Flugzeuge ja viel eher interessant sein!) Die Lautstärke? Der Lack? Der Preis? 
Unsere Söhne stöhnen über unseren uncoolen und alten Passat. Der Junior ist letztens in einer Stretchlimousine gefahren und findet: So könnte es eigentlich immer sein! Auch mein Mann würde am liebsten ...

Zu allem Überfluss haben wir bis vor kurzen in einer der Autostädte Deutschlands gewohnt. In Ingolstadt werden die schnellen Karren mit den vier Ringen produziert. Zehn Jahre lang haben wir dort gelebt. Ich bin in diversen dieser Wagen gesessen/gefahren und habe den Hype immer noch nicht verstanden. Man kann seinen Neuwagen, direkt vom Werk abholen. Dort gibt es eine Art Showroom, wo die Karre wartet und ein Mitarbeiter zeigt dem neuen Besitzer den ganzen Schnickschnack. Und dann irgendwann kommt der Moment, da steigen die Typen ein und fahren von dannen. Wie oft habe ich diese rotwangigen, dämlich grinsenden Männer mit feuchten Augen vom Hof fahren sehen! Es waren tatsächlich ausschließlich Kerle! Ganz ehrlich: Welche Frau, die sich einen Neuwagen bestellt, kommt auf die Idee, statt ihn beim Händler um die Ecke abzuholen, allen Ernstes mit dem Zug bis nach Ingolstadt zu fahren, um die Schüssel dann selbst nach Hause fahren zu müssen? Warum tun Männer das?

"Dieser Neuwagengeruch!" sagt mein Mann und seufzt wissend. Aha, der Geruch ist also wichtig. Und die Marke. Und wie teuer das Ding war. Und wie schnell es fahren kann. Männer und Autos. Das ist so eine Symbiose, die ich nicht begreife.
Es erstaunt mich, wie viel Geld man(n) in Deutschland für ein Auto ausgibt. Wie viel Zeit man den Dingern widmet. Ich bin mir nicht sicher, ob das Thema Auto vielleicht sogar Fußball schlägt.
"Image!" sagt mein Mann. "Autos haben ganz viel mit Image zu tun!"

Das würde erklären, weshalb er nie mitgefahren ist, als meine Mutter vor Jahren dieses Ford Cabrio besaß. Farbe: Lipstick Pink! Meine Schwester und ich fühlten uns ein bisschen wie Barbie, wenn wir damit unterwegs waren. Aber immerhin: Es war ein Auto. Man konnte damit von A nach B fahren. Das war für uns letztlich das einzige Kriterium. Da konnten wir auch mit dem Barbie-Image gut leben. 

Tja, aber ich lebe ja in diesem Männerhaushalt. Pinke Autos gehen gar nicht. Dabei finde ich, die Farbe ist wirklich noch eines der wenigen Kriterien, bei denen ich mitreden könnte. Marke, Motorisierung und so ein Zeug ist mir wurscht. Zu viel Klischee? Klar, es gibt die Frauen, die gerne an Autos schrauben, fachsimpeln und schon als Kind PS von Hubraum unterscheiden konnten. (Ich kenne zwar keine, aber es gibt sie ganz sicher!) Vermutlich gibt es auch Männer, die, so wie ich, keine Ahnung von Autos haben. Anonyme Männer vermutlich.

Klar, ich hab nen Führerschein und wenn es sein muss, kann ich tanken, Scheibenwischwasser nachfüllen und den Ölstab rausfingern. Das wars dann aber auch schon.
Das ist aber gar nicht schlimm, denn ich bin ja ne Frau. Da darf man das. Denen traut man das zu. Diesen Unsachverstand. Ich darf in der Werkstatt stehen und Sachen sagen wie: "Da leuchtet immer so ein Lämpchen auf und es macht Piiieps wenn ich starten will!" So was kann sich ein Mann ja gar nicht erlauben! Von wegen Imageschaden und so.

Neulich hab ich gelesen, dass es Sprays mit Neuwagengeruch gibt. Vielleicht sollte man so was auch als Damendeo rausbringen. Weiß aber nicht, ob ich mit so viel männlichem Interesse klarkommen würde. Ich Autokennerin, ich.

www.movo.netDieser Artikel ist der Auftakt einer Serie und vieler Leserbriefe und ist erschienen in der ersten Ausgabe von MOVO , Herbst 2014.